Lebensspuren - Kopie
Adolph Kurt Böhm – Komponist, Musiker und Menschenfreund
Adolph Kurt Böhm, geboren am 27. Juli 1926 in Oberlangenstadt bei Kronach, war das zweite Kind von Josef Böhm und seiner Frau Maria. Die Böhms betrieben in ihrer fränkischen Heimat eine kleine Produktion von Korbmöbeln. Bereits 1933 bekam Josef Böhm, der einer jüdischen Familie entstammte, die Unmenschlichkeit des Naziregimes zu spüren. Schon kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland wurde er von einem beruflichen Konkurrenten der politischen Agitation bezichtigt (was nicht stimmte) und denunziert. Zunächst wurde er inhaftiert und am 24. April ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Nur durch den mutigen Einsatz seiner Frau, die unter anderem bei Erzbischof von Bamberg um Hilfe bat, kam er nach drei Wochen wieder in Freiheit. Die Familie verließ noch im gleichen Jahr die Heimat und emigrierte nach Paris. In dieser, für Flüchtlinge nicht leichten Situation wuchs Adolph Kurt Böhm auf, lernte die französische Sprache und Kultur kennen und schloss erste Freundschaften. Als Paris dann von der deutschen Armee besetzt wurde, floh der Vater erneut. Diesmal in die Schweiz. Die Familie blieb allerdings in Paris. Böhm, der großes künstlerisches Talent besaß, konnte in dieser Zeit anderen Juden dadurch helfen, dass er für sie Pässe fälschte. Viele Jahre später, 1995, wurde er dafür mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ des Staates Israel ausgezeichnet.
Eine musikalische Karriere in Frankreich
Nach dem Krieg – der Vater war inzwischen wieder nach Paris zurückgekehrt – genoss der vielseitig begabte Böhm eine Ausbildung zum Pianisten. Seit 1952 war er Schüler der Pianistin Bernadette Alexandre-Georges, die eine enge Freundin von Maurice Ravel gewesen war. Die Freundschaft mit dem jungen Michel Serrault, der später als Schauspieler (u.a. Ein Käfig voller Narren) Berühmtheit über die Grenzen Frankreichs hinaus erlangte, brachte Böhm mit dem Theater in Berührung. Die ersten Inszenierungen Serraults unterstützte er durch das Malen von Kulissen und Plakaten und durch seine Musik.
1963 lernte Böhm den ungarischen Pianisten György Cziffra kennen, der damals in Paris lebte. Böhm hatte dessen Einspielungen auf Schallplatten und im Konzert gehört und war fasziniert von der überragenden Technik des großen Musikers. Die Bekanntschaft mit ihm begann mit einem Interview, in dem Böhm Cziffra unter anderem nach seiner Einstellung zur Seelenwanderung befragte. Wie war es möglich, dass manchen Menschen ein so überragendes musikalisches Genie zuteil wird?, fragte sich Böhm. Allerdings war dieses Interview wohl auch ein Vorwand, um den bewunderten Künstler kennenzulernen. Jedenfalls akzeptierte Cziffra Böhm als seinen Schüler und es entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zum Tod Cziffras 1994 anhielt. Böhm widmete Cziffra zwei Walzer, die der taiwanesische Pianist Yi-Chih Lu 2005 einspielte.
Den Wunsch selbst Konzertpianist zu werden gab Böhm allerdings auf, als er merkte, dass er der Aufregung des Konzertbetriebs nervlich nicht gewachsen war. Er hatte mit großem Lampenfieber zu kämpfen. Dass er durchaus die Fähigkeiten zum Pianisten hatte, beweisen jedoch einige private Tonbandaufnahmen, auf denen Böhm Werke von Liszt und Chopin spielte. Doch Böhm fühlte sich wohler im Pariser Künstlermilieu, in den Kabaretts vom Montmartre, in denen er die Chansoniers seiner Zeit begleitete. Schon damals komponierte er Instrumentalnummern als Eingangs- oder Zwischenmusiken für Revuen. In dieser Zeit war Böhm, auch wegen seiner Fähigkeit „vom Blatt“ zu spielen, ein sehr geschätzter Liedbegleiter. Tourneen führten ihn durch Frankreich.
Der frühe Tod seines Bruders Gerd, der 1956 bei einem Autounfall ums Leben kam, war ein schwerer Einschnitt für Böhm und seine Familie. Für Adolph Kurt Böhm war dieses Ereignis auch ein Anstoß, sich intensiver mit spirituellen Fragen des Daseins zu befassen.
Rückkehr nach Deutschland – Der Komponist Böhm tritt ins Rampenlicht
Nachdem die Familie Böhm bereits kurze Zeit nach dem Krieg Deutschland wieder besucht hatte, kehrte sie Mitte der 1980er-Jahre endgültig zurück und fand in Murnau am Staffelsee, der Heimat von Böhms Mutter, ein Zuhause. Ein Freund, dem Böhm damals eigene Kompositionen vorspielte, sagte zu ihm: „Das was Du komponierst sind ja Lieder ohne Worte“. Er schlug Böhm vor, sich doch einmal am Kunstlied zu versuchen, und so vertonte Böhm bald darauf ein erstes Gedicht von Alfred de Musset. Es folgten weitere Kompositionen zu französischen Gedichten von Paul Verlaine. Zwei mit Böhm befreundeten Opernsängern, Irene Sicot und Henri Bohrer, nahmen sie in einem Pariser Tonstudio für eine Schallplatte auf. Böhm selbst begleitete die Lieder damals auf dem Klavier. Es war der Beginn eines reichen Schaffens: Böhm schrieb mehr als 500 Lieder. Oft waren es Texte von Dichtern der Romantik, wie Heinrich Heine oder Joseph von Eichendorff, die er vertonte. Mitunter reizten ihn aber auch Texte des 20. Jahrhunderts. Die Liebesgedichte von Eugen Drewermann, die Texte von Wilhelm Busch oder Manfred Kyber. Oft begleitete Böhm Sängerinnen und Sänger bei Konzerten oder Aufnahmen. So entstanden zum Teil langanhaltende Zusammenarbeiten, zum Beispiel mit Alexandra Petersamer oder Florian Prey. Auch Instrumentalisten wie der Cellist Julius Berger spielten seine Werke. 1995 vertone Böhm das Musikdrama Savonarola von Birgitta Wolf. Die Aufführung fand in Murnau statt.
Sein Musikalisches Leben brachte Böhm in Kontakt mit vielen Künstlern seiner Zeit, die ihn und seine Musik schätzten. Darüber hinaus interessierte sich Böhm für übernatürlichen Phänomene und stand im Leben immer auf der Seite der Schwachen und Unterdrückten. Seine Tierliebe war nahezu grenzenlos. Die Erinnerung an sein bewegtes Leben schrieb er 2014 in dem Buch „Musik und Menschlichkeit“ nieder. In „Die heilende Kraft der Schönheit“ von 2010, das im Untertitel „eine Kulturkritik der modernen Künste“ genannt wird, versuchte Böhm, dessen Begeisterung für das romantische Kunstlied immer auch etwas Anachronistisches anhaftete, seine Erkenntnisse und Einstellung zur zeitgenössischen Kunst darzustellen. Seine unermüdliche Schaffenskraft und die stetig weiter wachsende Begeisterung für seine Kunst sind ein Zeichen dafür, dass auch die scheinbar aus der Zeit gefallene Kunst Böhms, einen Nerv seiner Zuhörerschaft trifft und bei vielen Menschen auch heute ein großes Bedürfnis nach der zutiefst menschlichen Musik Böhms herrscht.
Bis zu seinem Tod 2020 war Adolph Kurt Böhm aktiv. Er komponierte, musizierte mit Freunden und besuchte oft und gerne Konzerte.
Heribert Riesenhuber